"Ich finde, die beste Methode, Kindern Ratschläge zu geben, ist die,
herauszufinden, was sie wollen, und ihnen dann zu raten, genau das zu tun."
(Harry S. Truman)
Jedes Kind braucht für eine gesunde Entwicklung und für eine heile Identität
unter anderem Wärme, Halt, Sicherheit, Stabilität, Kontinuität, liebevolle und
stabile Beziehungen, gesunde Eltern, Grenzen, Orientierung, eigenen Raum,
Ermutigung, Bestätigung, Erziehung, Vorbilder.
Was aber steht geflüchteten Kindern davon noch zur Verfügung?
Kindern, die aus ihrer für sie lebensbedrohlich gewordenen Heimat fliehen und
ihre gewohnte Umgebung und Angehörigen zurücklassen mussten, sowie alles,
was ihnen vertraut und lieb war. Kindern, die oft schwerwiegende Kriegs- und
Gewalterfahrungen hinter sich haben, und nach einer langen und strapaziösen
Flucht in ein Land kommen, in dem ihnen alles fremd und unsicher erscheint und
die schnell die Erfahrung machen, ausgegrenzt zu werden und „anders“ zu sein.
Kinder, deren Eltern durch Erlebnisse im Heimatland und auf der Flucht traumatisiert
sind, und selbst um Orientierung, Sicherheit und Zukunftsperspektiven ringen.
Kinder, die im Gegensatz zu ihren Eltern meist schnell die deutsche Sprache lernen
und somit oft die einzige „Brücke“ zwischen ihren Eltern und der Aufnahmegesellschaft
sind, was zur Folge hat, dass sie parentisiert werden, und nicht die ihrem Alter
entsprechende Unterstützung der meist psychisch schwer belasteten Eltern bekommen,
sondern noch die Verantwortung für sie übernehmen. Kinder, die nach wie vor
traumatisierenden Erfahrungen ausgesetzt sind.
Kinder reagieren unterschiedlich auf diese Not. Die einen zeigen nach außen sichtbare
Verhaltensauffälligkeiten, die anderen ziehen sich zurück. Wieder andere versuchen
das „perfekte Kind“ zu sein. Wenn ein Familiensystem krankt, ist es schwierig, die
Bedürfnisse der Kinder wahrzunehmen. Meist zeigt sich erst im schulischen Kontext,
in welchen Nöten die Kinder sind:
Die häufigsten Symptome einer PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung) bei
Kindern sind Alpträume, Schlafstörungen, Regression, Einnässen, Ängste,
erhöhte Wachsamkeit, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, vermeidendes Verhalten,
aggressives Sozialverhalten, gestörtes Bindungsverhalten, psychosomatische
Beschwerden, Hyperaktivität, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten,
Schulphobie bis hin zur Schulverweigerung, Dissoziation und Amnesien.
Bei Jugendlichen kann es zudem zu ähnlichen Symptomen kommen wie bei einer
depressiven Störung oder auch einer Borderlinestörung.
Trauma ist der Verlust der Verbindung zum Hier und Jetzt, der Verlust von Orientierung,
von Kontakt, von Sicherheit. Die Welt gerät aus den Fugen. Der Mensch bleibt in
dauernder Alarmbereitschaft und fühlt sich nirgendwo sicher.
Orientierung ist Grundvoraussetzung, um ein Gefühl von Sicherheit zu entwickeln.
Sicherheit ist die Basis, um wieder Boden unter die Füße bzw. anders ausgedrückt
ein Gefühl für die eigene Stabilität zu bekommen. Und diese ist nötig, um wieder in
Kontakt gehen zu können, zu sich und zu der eigenen Umwelt. In der Arbeit mit
traumatisierten Menschen geht es zunächst darum, fehlende Ressourcen -
die inneren wie die äußeren - wieder zur Verfügung zu stellen, und zu allererst
und immer wieder um die Orientierung im Hier und Jetzt.
Deshalb geht es in der therapeutischen Arbeit mit diesen Kindern und Jugendlichen
zunächst einmal vor allem um die Entwicklung von Orientierung, Stabilität und
Selbstvertrauen.
Der therapeutische Prozess in einer Gruppe bietet den Kindern und Jugendlichen die
Möglichkeit, eine Art von Peergroup zu bilden, in der sie durch gegenseitiges
zwischenmenschliches Erleben, unterstützende Beziehungsarbeit, gemeinsames
Entdecken bekannter und neuer Ressourcen Orientierung, Kontinuität, Vertrauen,
Sicherheit, gegenseitige Unterstützung und Selbstwirksamkeit erfahren und erproben
können.
Bei Kindern und Jugendlichen, die derartig geängstigt und depressiv sind, dass es
ihnen nicht möglich ist, zwischenmenschlichen Kontakt aufzunehmen, ist jedoch
eine Therapie im Einzelsetting ratsam.